Oleander: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 7. Februar 2016, 14:15 Uhr
"Betrachten wir einmal den Oleander. Der Oleander ist eine Heilpflanze, die in den Händen des Arztes eine bedeutende Rolle einnimmt. Allgemein wird diese Pflanze in der Homöopathie verwendet, sie wird in erster Linie eingesetzt bei Herzerkrankungen. (...)
Wenn wir diese Betrachtung im wahrnehmenden Sinnesstrom vergehen, dann fällt uns auf, dass es schon zu ahnen ist, dass es sich bei dieser Pflanze um eine Giftpflanze handelt. Eine leise aufsteigende Unruhe bemächtigt sich bei der Betrachtung des Gemütes. Wenn wir uns dem Sinnesschein auf sorgfältige Weise hingeben, dann bemerken wir schnell den Unterschied zwischen einem Röschen, wie es hier am Tisch steht, und dem Rosenlorbeer oder Oleander. Wir gewinnen schon von der Art, wie er in seiner Erscheinung auf uns wirkt, einen ganz anderen inneren Eindruck. Dieser innere Eindruck zeigt, wie eine gewisse Farbintensivierung bei dieser Pflanze auftritt im Gegensatz zu der eher gedämpften Farbe der Rose. Die Rose ist bezüglich der Blütenpracht zwar lebendig und vielseitig, dennoch ist sie aber gedämpfter als die des Rosenlorbeers. Man gewinnt den Eindruck, wenn man nur diesen Sinnesschein, den Aspekt der Theophanie, auf sich wirken lässt, dass es sich mit dem Oleander um etwas handelt, das richtiggehend künstlich werden möchte. Bei dieser Pflanze wird man bemerken, dass die Blüte ein künstliches Farbenspiel ausholen möchte. Von diesem Eindruck ausgehend, wird man sich ganz besonders die Frage stellen: Handelt es sich dann nicht direkt um eine Giftpflanze? Tatsächlich ist dies eine Andeutung, wie die Pflanze in eine Region wachsen möchte, die ihr nicht eigen ist. Sie möchte in das Licht selbst aufblühen. Sie möchte mit der Blüte das Licht selbst werden. Die Rose dagegen besitzt eine Form der Hingabe, eine Form der dezenten Verehrung, die sich in der Zurückhaltung der Farbe ausdrückt, man möchte sagen, in der Pietät der Farbe, während aber der Oleander eine fast künstliche Natur in der Blüte entwickelt. Er möchte astralisch werden, er möchte in das Licht selbst hinein, er möchte wie ein Stern selbst werden. Er überschreitet seine naturgegebene Grenze innerhalb der Ordnung der Ätherkräfte. Dadurch entsteht die Giftwirkung. Die Pflanze nimmt an einer für sie ungewöhnlichen Sphäre teil und produziert Gift in sich.
Mit diesen Überlegungen sehen wir, wenn wir einen solchen Aspekt betrachten, wann es sich um Giftpflanzen handelt und wann es sich um gewöhnliche Erscheinungen handelt. Die Giftpflanze will astralisch werden. Das ist das ganz Besondere. Manchmal neigen sich auch die Blüten vom Lichte hinweg, wie beispielsweise der Eisenhut, bei dem sich die Blüte wie mit einem Hut verschließt. Der Eisenhut aber überschreitet ebenfalls seine gegebenen Äthergrenzen. Das Verschließen der Blüte ist beim Oleander allerdings nicht der Fall. Die Blüte sollte normalerweise natürlich und wie pietätvoll zum Lichte ausgerichtet sein. Sie sollte nicht hineingehen und Licht werden wollen und sie sollte sich auch nicht vor dem Lichte verschließen durch eine besondere Abdeckung. Wir sehen auch, dass der Oleander damit eine gewisse Unruhe ausstrahlt im Vergleich zur Rose. Der Oleander trägt in sich eine ganz andere innere Regsamkeit als die normalen ungiftigen Pflanzen. (...)
Der Oleander ist sehr typisch für die Signatur des Mondes. Diese Signatur des Mondes ist nur auf innere Weise sichtbar, wenn hierzu auch die Gedanken herangebildet werden. Man kann die Signatur nicht an der äußeren Blattstruktur, an den Staubgefäßen, an der Blütenbildung oder der lebenskräftigen Art ablesen, wie sich das Gewächs den Raum hinein verzweigt und verströmt, sondern man kann die Signatur nur ergründen, wenn man ein inneres Auge, eine innere Sinneswahrnehmung für die Kräfte ausprägt, die typisch sind für bestimmte Planetenbilder.
Wenn wir die Signatur des Mondes an einer Pflanze studieren, dann ist es recht günstig, wenn wir einige Anhaltspunkte dafür haben. Die Signatur des Mondes äußert sich durch eine Art kindliche, träumende, angenehme, natürliche Geborgenheit, oder allgemein durch das träumende phantasierende Element Kindseins. Der Mond in seiner Signatur zeigt aber auch ein zärtliches, natürliches, und gleichzeitig unschuldiges Liebesspiel. Man kann sich die Signatur des Kirschbaumes, der ebenfalls unter dem Mondeinfluss steht, vorstellen, indem man sich vergegenwärtigt, dass sich die Kinder etwa im Alter von vier oder fünf Jahren gerne eine Zwillingskirsche gegenseitig über die Ohren hängen und ihre natürlichen Freundschaftsgefühle damit austauschen. Es ist wie ein Spiel, wie ein Liebesreigen in kindlicher Unschuld, der sich innerhalb jener Mondensignatur verströmt. Wenn wir nun an den Oleander denken und dieses geschilderte Bild hinzunehmen vom träumenden, kindlichen, und auch phantasievollen Wesen, dann werden wir seiner Natur sehr nahe kommen, da der Mond einen ganz besonderen Einfluss auf die jeweils spezifische Pflanzenbildung besitzt. Obwohl alle Planeten in irgendeiner Form auf die Pflanzen herniederstrahlen, und obwohl der Mond für viele unterschiedliche Gewächse eine Bedeutung hat, so tritt er doch bei bestimmten Pflanzen, wie beim Kirschbaum oder beim Oleander, ganz besonders hervor. Aus diesem Grunde dürfen wir bei diesen Pflanzen davon sprechen, dass sie geprägt sind durch die Signatur des Mondes. (...)
Und wenn wir dann als Nächstes uns gewahr werden, welche Unruhe in der Pflanze lebt, welcher Drang ins Astralische hinein die Blüte zeichnet, welche ständige vitale, ausschweifende Unruhe uns in der Blütenbildung und Blütenfarbe offensichtlich wird, dann bemerken wir, dass in dieser Pflanze ein wahres, reizintensives Spannungsverhältnis lebt. Wenn wir dieses Spannungsverhältnis bei der Pflanze denkend und vorstellend erleben, dann ist es möglich, dass wir einmal vergleichend blicken auf den Menschen und uns vergegenwärtigen, wann die menschliche Natur einer solchen starken Spannung ausgesetzt ist. Es gibt ein typisches Krankheitsbild, das diese Spannung in sich trägt. Dieses Krankheitsbild ist die rheumatische Entzündung. Die rheumatische Entzündung trägt genau dieses Spannungsverhältnis in sich, welches der Oleander in seiner Wesensnatur nach außen zeigt. In der rheumatischen Entzündung, um es in aller Kürze einmal darzustellen, lebt ein gewisses jugendliches, vielleicht sogar ein infantiles Wesen im Menschen, und es lebt auf der anderen Seite eine starke Unruhetendenz, die sich aber keinen wirklichen Ausdruck in der Bewegung und in der Art der Beziehungsaufnahme nach außen schaffen kann. Es ist im Stoffwechsel ein Ungleichgewicht gegeben, so dass der Stoffwechsel nicht richtig zur Ruhe kommt, sich durch das Nervensystem nicht richtig gehalten und organisiert fühlt und dadurch meistens die Verdauung zu feinen Schwankungen neigt. Es greift oftmals, energetisch gesehen, diejenige Region, die dem fünften Energiezentrum entspricht, nicht richtig hinein in den Stoffwechsel. Somit entsteht von der Schilddrüsensteuerung ausgehend, und dies auch besonders in Verbindung mit Calcitonin, eine ständige Disharmonie, die sich dann im Verdauungssystem als feine, chronische Giftwirkung verströmt. Diese Giftwirkung entwickelt sich dann weiter hinein in die Gelenke oder auch in andere Gewebe, wie in die Muskulatur oder, wie es beim Oleander ganz typisch ist, ins Herzgewebe als die gefährliche Endocarditis. Die Herzinnenhautentzündung ist eine ganz typische Folgeerkrankung bei rheumatischen Entzündungen. In der rheumatischen Entzündung ist der Mensch innerlich sehr unruhig, denn er kann in sich die nötigen Organisationsstrukturen des Nervensystems nicht halten. Auf der anderen Seite neigt er aber auch zu einem Jugendlichsein oder sogar Kindlichsein. Er möchte nicht so gerne erwachsen werden. Viele Rheumatiker haben in sich den tiefen Konflikt, dass sie nicht so richtig aus dieser Mondensphäre heraustreten wollen und dennoch aber in irgendeiner Weise den Drang nach Bewegung, Leidenschaft und Ehrgefühl verspüren. Diesem können sie aber aufgrund ihrer Art der Gedankenbildung und Gedankenanlage, die sie in den verschiedenen Lebensjahrsiebten mitgenommen haben, nicht so richtig Folge leisten. So kann sich die obere Organisationsstruktur mit der inneren, mehr vom Mond geprägten Organisationsstruktur, nicht richtig durchdringen. Dieses Bild, das uns im Rheumatiker begegnet, ist tatsächlich ganz ähnlich wie das Bild, das wir beim Oleander finden.
Nun können wir daraufhin die Frage stellen: Warum setzen wir in der Heilkunde gerade den Oleander bei Rheuma ein, wenn doch das Bild dem Wesen des Rheumakranken so ähnlich ist? Müssen wir nicht dem Rheumatiker etwas geben, damit sich seine obere Organisationsstruktur, und damit seine Lichtstoffwechselfreudigkeit, richtig hinein in den Leib entfalten und sich seine Gedankenbildekraft neu organisieren und in den Leib integrieren kann? Diese beiden Fragen sind einerseits richtig gedacht und tragen auch eine wichtige Bedeutung von der Idee bei der Therapie, es ist aber auch günstig, wenn wir ein Heilmittel geben, das ganz besonders sogar mit Fremdkraft und in diesem Fall sogar, beim Oleander, mit Giftstoff beladen ist. Denn derjenige, der krank ist, muss in sich mit dem Heilmittel ringen. Er bekommt beispielsweise eine Dezimalpotenzierung von einer D2 bis D6. Diese ist, infolge der Potenzierung und Verdünnung, nicht mehr wirklich giftig, aber sie hat noch eine Andeutung von Gift in sich. Wenn nun dem Menschen der Oleander oral verabreicht wird, muss er sich in seinem Verdauungssystem mit der Giftpflanze auseinandersetzen, er muss sich mit dem Oleander und seinem Wesen, im Inneren der Organe konfrontieren. Und da er sich mit diesem besonderen Wesen auf einer unbewussten Stoffwechselebene konfrontieren muss, muss er es auch überwinden. Er muss das Heilmittel in sich bewältigen, er muss es abbauen und schließlich durch die eigene Organisations- und Verdauungsstruktur hindurchführen. Indem er sich im Untergründigen des Stoffwechsels gerade mit dieser Pflanze beschäftigen muss, muss er sich gewissermaßen mit sich selbst beschäftigen, denn diese Pflanze ist ihm, in seiner psychologischen Struktur, am allernächsten verwandt. So kann tatsächlich das, was Hahnemann in einer großartigen Entdeckung beschrieben hat - »Ähnliches möge Ähnliches heilen« - zutreffen und Ähnliches kann heilsam sein, weil sich der Kranke dabei mit sich selbst konfrontieren muss.(...) [1]
Quellen
- ↑ Heinz Grill, Übungen zur Erkenntnisbildung der höheren Welten S. 120 ff.